Fortbildung Pädagogik und Recht

Martin Stoppel / Fortbildner und Berater im Projekt Pädagogik und Recht


In der Erziehung sind Kindesrechte nicht nur unter dem Aspekt des Strafgesetzbuchs geschützt. Im Vorfeld des Strafrechts soll vielmehr nach unserer Rechtsordnung jede Gewalt unzulässig sein (Ächtung von Gewalt in der Erziehung/ § 1631 II Bürgerliches Gesetzbuch/ BGB): so genannte entwürdigende Maßnahmen. 

Was aber ist darunter im Einzelnen zu verstehen, wenn doch jede Erziehung von einem natürlichen Machtüberhang geprägt ist, d.h. z.B. jedes Verbot zwangsläufig in die allgemeine Handlungsfreiheit des Kindes/Jugendlichen eingreift? Wie grenzen sich pädagogisch verantwortbare, rechtlich zulässige pädagogische Grenzsetzungen von unzulässiger Gewalt ab? 

Eltern und in institutioneller Erziehung (Heime, Schulen etc.) Verantwortliche brauchen eine Orientierung, um subjektiv für richtig erachtetes Verhalten zu objektivieren. Es genügt nicht, dass sie es mit dem Kind gut meinen, vielmehr sollten sie ihre Entscheidungen unter Zuhilfenahme pädagogischer Handlungsleitlinien reflektieren können, die unklaren gesetzlichen Normen vorgeschaltet sind. Dadurch gestärkte Handlungssicherheit dient zugleich dem Kindesschutz, insbesondere der Sicherung des Kindesrechts auf gewaltfreie Erziehung. Anders ausgedrückt: 
sofern fachliche Leitlinien unbeachtet sind, kann von unzulässiger Gewalt Erziehender ausgegangen werden. 

Objektivierende Leitlinien können Erziehungskompetenz verbessern, auch wenn sie nur in krisenhaften Situationen und längst nicht für alle von gleicher Bedeutung sind. Keinesfalls soll der dementsprechend im Projekt Pädagogik und Recht entwickelte und vorrangig für die institutionelle Erziehung vorgeschlagene Orientierungsrahmen pädagogische Spontanität und Kreativität verhindern. Es geht vielmehr darum, neben den rechtlichen Rahmenbedingungen mit ihren unbestimmten Rechtsbegriffen wie Kindeswohl, Kindeswohlgefährdung und Gewalt eine fachliche Orientierung zu bieten, die z.B. ausschließlich subjektiven Interpretationen dieser Begriffe entgegen wirkt, mithin Kinder und Jugendliche vor Willkür schützt. Ausschließlich subjektiv für richtig erachtetes Verhalten ist durchaus geeignet, Kindesrechte zu verletzen, etwa die Position, eine Ohrfeige habe noch niemandem geschadet. Die im Projekt vorgeschlagenen Strukturen können z.B. verhindern, dass - wie im pädagogischen Konzept einer Erziehungshilfe-Einrichtung ausgewiesen - unter pädagogischer Begründung Post kontrolliert wird. Objektiv betrachtet verfolgt eine derartige Erziehungsmethode weder das Erziehungsziel der Eigenverantwortlichkeit noch das der Gemeinschaftsfähigkeit, da es sich um eine Schutzmaßnahmen handelt, die - außerhalb jeder Pädagogik - allenfalls als Aufsichtsinstrumente rechtlich zulässig ist, um der Gefährdung durch oder für ein Kind zu begegnen. 

Ein solcher Import einer aufsichtstypischen Maßnahme in die Pädagogik war bereits in der Vergangenheit problematisch, etwa das Schlagen aufgrund so genannten Züchtigungsrechts. Heute ist es wichtig, aus dieser Vergangenheit zu lernen. Entschuldigung und Entschädigung können und dürfen nicht ausreichen. 
Es liegt also nahe, rechtliche Normen (Legalität) durch ebenfalls objektivierende fachliche Strukturen (Legitimität) zu ergänzen und beides als Orientierungsrahmen für qualitativpädagogisches Verhalten zu betrachten: als vorgeschaltete fachliche Erziehungsgrenze, welche die rechtlich- normative Erziehungsgrenze ergänzt. Dementsprechend im Projekt Pädagogik und Recht vorgeschlagene Strukturen können also helfen, zunächst im Kontext eigener pädagogischer Überzeugung für richtig erachtete Entscheidungen zu reflektieren und ggfs. anzupassen. Darin liegt ein wichtiges Element der Qualitätsentwicklung und -sicherung.

Für die institutionelle Erziehung in Einrichtungen der Jugendhilfe, der Behindertenhilfe, der Schulen/ Internate sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie richten sich die Strukturvorschläge des Projekts neben den unmittelbar verantwortlichen PädagogInnen auch an mittelbar verantwortliche Leitungen, Träger sowie Jugend- und Landesjugendämter. Handelt z.B. ein Jugendamt dem Kindeswohl entsprechend, wenn es seine Entscheidung vorrangig unter dem Spardruck seines Kämmerers trifft? Darf ein Landesjugendamt einheitliche Gruppenkleidung verbieten, obwohl dies objektiv betrachtet dem pädagogischen Ziel der Identifikation mit der Gruppe (Gemeinschaftsfähigkeit) dient? 

Ob ein derartiges Vorgehen - die eigene pädagogische Haltung zugrunde legend - für pädagogisch richtig erachtet wird, darf nicht Grundlage dafür sein, in der Heimaufsicht entsprechende Vorgaben zu setzen. Es liegt vielmehr unzulässige Macht vor, wenn MitarbeiterInnen eines Jugend- oder Landesjugendamtes in ihrem staatlichen Wächteramt bessere PädagogInnen sein wollen. Dies steht ihnen nicht zu, verletzt die Trägerautonomie, es sei denn, sie erfüllen einen gesetzlichen Beratungsauftrag: etwa als Landesjugendamt nach § 8b II Sozialgesetzbuch VIII/ SGB VIII. Danach hat das Landesjugendamt Anbieter bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt zu beraten, was wiederum Inhalt des Projekts Pädagogik und Recht ist. 
Im Wesentlichen umfasst das 
Projekt Pädagogik und Recht folgende Aussagen:



  • die Basisidee, zwischen zwei sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Aufträgen zu unterscheiden: der Erziehung (Persönlichkeitsentwicklung/ Pädagogik) einerseits und der Aufsicht (Gefahrenabwehr/ Zwang) andererseits
  • einen fachlich- ethischen Verantwortungsrahmen, der in bundesweiten Leitlinien pädagogischer Kunst von Fachverbänden entwickelt werden sollte, vorab bzw. parallel in einer Agenda pädagogische Grundhaltung des jeweiligen Anbieters
  • das Paradigma, eigene Entscheidungen unter objektivierenden Strukturen- etwa im Kontext der beschriebenen Leitlinien und Agenda- zu reflektieren
  • das Kindesrecht auf fachlich- ethische Begründbarkeit der Entscheidungen Erziehender, gleichbedeutend mit dem Recht auf gewaltfreie Erziehung


  • integriert fachlich- rechtliches Problemlösen mittels des Prüfschemas zulässige Macht: Wann verhalten sich PädagogInnen, Leitung, Träger, Jugend-/ Landesjugendamt fachlich verantwortbar (fachliche Erziehungsgrenze i.S. des objektiv nachvollziehbaren Verfolgens eines pädagogischen Ziels), wann rechtlich zulässig (rechtliche Erziehungsgrenze i.S. des Beachtens der Rechtsordnung)?
  • Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe (§ 1666 BGB) Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung
Einzelheiten des Projekts Pädagogik und Recht finden Sie unter www.paedagogikundrecht.de erläutert.

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